Die K.M.E.

„Die Königlich Preußische Militäreisenbahn“

Oder: wie die „Kanonenbahn“ die Geschichte Sperenbergs beeinflusste

Auf alten Ansichtskarten kann man oft die Bezeichnung „Sperenberg an der Militärbahn“ finden.
Heute erinnert nichts mehr an diese verkehrsmäßige Besonderheit.

Da im Laufe der Zeit die strategische Bedeutung der preußischen Eisenbahn erheblich zunahm, sollte den Eisenbahntruppen auch eine eigene Bahnstrecke und ein eigenes Übungsgelände zur Verfügung stehen. So wurde mit dem Bau und dem Betrieb einer 45,6 km langen Bahnstrecke vom Berliner Militärbahnhof Schöneberg über Sperenberg zum Schießplatz Kummersdorf begonnen.

Die Trasse kostete die damals enorme Summe von 3 Millionen Mark und konnte nach zweijähriger Bauzeit am 15. Oktober 1875 eröffnet werden. Die einzelnen Stationen wurden mit entsprechend aufwändigen Bahnanlagen oder Bahnhofsbauten ausgestattet. Außer den Diensträumen befanden sich dort auch Warteräume und Stuben für die Unterbringung des Stations– und Streckenpersonals.

Der Regierungspräsident in Potsdam erteilte am 22. 09. 1892 die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer fest verlegten Übungsbahn zum vier Kilometer von Kummersdorf entfernt gelegenen Schumka-See. 1894 wurde der Kreis, den die Feldbahn Rehagen-Klausdorf-Schumkasee beschrieb, durch eine parallel zur K.M.E. laufende Strecke zurück zum Ausgangspunkt geschlossen.

Die Strecke gehörte von Anfang an dem Militärfiskus und diente vornehmlich der schnellen und direkten Verbindung zum Übungsareal im Kummersdorfer Forst.
Aber – und was fast noch wichtiger war – sie diente auch der Ausbildung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften im Bahndienst.
So entstanden an verschiedenen Stellen Kasernen und Wellblechbaracken, in denen die Pioniere und Eisenbahnpioniere untergebracht werden konnten. werden konnten.

Feuer und Bewegung – wesentliche Elemente der Kriegsführung, wurden hier nun zusammengebracht und gemeinsam vervollkommnet. Hauptkraft des Feuers war die Artillerie, Hauptelement der Bewegung die Eisenbahn. Beide verlangten nach neuen Soldaten mit technischer Erfahrung und entsprechender Ausbildung. Die Pioniere wurden am Schumkasee im Bau sowohl mobiler wie auch stationärer Brücken ausgebildet. Noch heute stehen die massiven Pfeiler der ehemaliger Übungsbrücken mitten im See. So wurden die Eisenbahnpioniere in allen Bereichen der Bahntechnik geschult und trainiert, denn sie mussten in der Lage sein, zügig ganze Eisenbahnlinien zu verlegen sowie alle Regeln des praktischen Eisenbahnverkehrs beherrschen.

Ein Blitzbündel und ein geflügeltes Rad kennzeichneten die Versuchsabteilung, die ab 1905 alle Neuerungen auf dem Gebiet des Eisenbahnbaus und -betriebes unter militärischen Gesichtspunkten zu prüfen und die notwendigen Tests durch Versuchskompanien der Eisenbahnbrigade durchzuführen hatte.
Die Eisenbahnpioniere mussten zum Beispiel für Versuche der Artillerie-Prüfungskommission Feldbahnen zum Transport der Technik einrichten. Spezielle Bahnbauten führten dabei teilweise sogar weit über das ursprüngliche Übungsgelände hinaus und erreichten beachtliche Längen von bis zu 80 km. Diese Feldbahnen nannte der Volksmund damals auch „Kanonenbahn„.

Regionale Bedeutung

Um an dem enormen Bedarf von Baumaterial für die aufblühende Reichshauptstadt Berlin zu profitieren, hatte die an der Strecke gelegene Sperenberger Gipsfabrik und die Klausdorfer Ziegelei ein natürliches Interesse daran, die K.M.E auch für ihre Zwecke zu nutzen. So kam es, das bald auch Züge sowohl für den militärischen wie auch zivilen Transport eingesetzt wurden, obwohl die Beförderung von Privatpersonen- oder Fracht eigentlich nicht vorgesehen war.
Einen wesentlichen Anteil an der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung Sperenbergs hatte auch die Anlage des Truppenübungsplatzes mit seinen Heereswerkstätten. Sie beschäftigten zahlreiche Handwerker und begünstigten so die Niederlassung neuer Gewerke.
So ging der dörfliche Charakter Sperenbergs immer mehr verloren. Inzwischen wurde auch das Gelände an der Eisenbahn und an den Ausfallstraßen in die Bebauung mit einbezogen, doch schon bald erwiesen sich die Bahnhofsanlagen wieder als zu klein, so das man zunächst versuchte, durch einen zweistöckigen Anbau Abhilfe zu schaffen.
Doch um 1900 musste auch diese Anlage einem repräsentativen Bahnhofsgebäude weichen. Dieses Gebäude, wenngleich vom Zahn der Zeit angegriffen, ist bis heute ein markantes Bauwerk in Sperenberg geblieben. In ihm hat inzwischen das niederländische Künstlerehepaar Spruit Einzug gehalten, welches das Gebäude zu einem Bildhauerzentrum umgestaltet.

Am 28. Oktober 1903 wurde der Abschnitt Berlin-Zossen weltberühmt, als ein von der AEG gebauter Versuchswagen bei einer Testfahrt ein Tempo von 210 km/h erreichte und damit einen Geschwindigkeitsrekord aller damals existierenden Verkehrsmittel aufstellte.

Bis zum ersten Weltkrieg wurde die Strecke von den Berlinern sehr gern zu Ausflügen nach Rangsdorf, Mellensee und natürlich nach Sperenberg genutzt. Einerseits war die Fahrkarte auf der Militärbahn einen Groschen billiger und andererseits hieß es vom Zugpersonal, es sei „besonders zuvorkommend“ gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Heeresverwaltung gezwungen, die Militärbahn zwischen Schöneberg und Zossen abzureißen. Die Abzweigung zum Schießplatz, die schon 1897 bis Jüterbog verlängert worden war, wurde 1919 von der Reichsbahn übernommen.

Die Pyramide bei Sperenberg

Veteranen des Krieges hatten sich in Kriegervereinen organisiert und pflegten die Erinnerung an frühere Zeiten. Aus deren Reihen kam Mitte der zwanziger Jahre auch die Initiative, in Sperenberg ein Denkmal für die im Weltkrieg 1914 – 1918 gefallenen Eisenbahnpioniere und Pioniere zu errichten. Es wurde ein solides und originelles Ehrenmal in Form einer zehn Meter hohen Steinpyramide errichtet und mit zwei Gedenktafeln versehen. Die Gedenkstätte lag mitten im Pioniergelände am Ufer des Schumkasees und wurde danach nur an besonderen „Gedenktagen“ aufgesucht.

So ein besonderer Tag war auch der 21. Oktober 1929. Damals trafen sich die alten Kameraden auf ihren ehemaligen Übungsplätzen in Klausdorf und Sperenberg, die inzwischen von einem Pionierbataillon der Reichswehr benutzt wurden.

Nach Gründung der Deutschen Wehrmacht wurde das Pionierlager ab 1935 zu einer militärischen Zone, die Zivilisten so gut wie nicht betreten durften. Das Ehrenmal wurde dadurch den Blicken der Sperenberger Einwohner entzogen und geriet mit der Zeit fast in Vergessenheit. Das änderte sich auch nicht, als die Rote Armee das Gelände Ende der fünfziger Jahre besetzte um dort den sowjetischen Flughafen zu errichteten.

Erst 1994, nach Abzug der GUS -Truppen vom Flugplatzgelände, konnten Zivilpersonen wieder einen Blick auf die früheren Anlagen werfen. Selbst ortskundige Besucher hatten Anfangs Mühe, die Pioniergedenkstätte am bewaldeten Ufer des Schumkasees zu entdecken.
Durch die freundliche Unterstützung ehemaliger Eisenbahnpioniere aus der ganzen Bundesrepublik konnten die Gedenktafeln an der Pyramide im Jahre 2003 restauriert werden. Außerdem halfen die Freiwillige Feuerwehr, zahlreiche ortsansässige Firmen sowie Freunde des Fördervereins Heimatstube Sperenberg bei der Rekultivierung des gesamten Geländes. So konnte dies vom Jahrzehnte alten Wildwuchs befreit und wieder in einem angemessenen Zustand versetzt werden.

Die Pyramide bei Sperenberg