Geologie

Die geologische Besonderheit Sperenbergs

Wer unseren ca. 40 km südlich von Berlin gelegenen Ort besucht, kann sich in einer landschaftlich schönen Gegend nicht nur erholen, sondern auch auf Entdeckungsreise gehen. Zu entdecken gibt es viel, zum Beispiel die „Sperenberger Gipsbrüche“.

Als geologische Besonderheit gilt der mächtige Salzstock der unter Sperenberg lagert und den Gipsberg auf etwa 80 m über seine Umgebung hinausragen lässt. Zwar sind große Teile Deutschlands in der Tiefe von Salzschichten unterlagert, aber er ist der am weitesten im Osten gelegene Salzstock und gehört zu den wenigen, die auch die Erdoberfläche durchbrochen haben.
Nach dem Aufstieg des Salzes bis an die Erdoberfläche wurde dieses von Grundwasser aufgelöst.

Die schwer löslichen Gips- und Tonbestandteile blieben zurück und bildeten einen ca. 100 m dicken Rückstand, den „Gipshut“. Das gelöste Salz bildet salzhaltiges Grundwässer, das aber in etwa 100 bis 300 m Tiefe durch wasserundurchlässige Tonschichten von den darüber liegenden Süßwasserstockwerken abgetrennt wird. Der deutliche Salzgehalt in den Restlöchern zeigt aber, das es wohl genügend durchlässige „Sandfenster“ im Boden geben muss, die einen vertikalen Wasseraustausch ermöglichen.

Im 12. Jahrhundert stießen deutsche Kolonisten mit ihren Pflügen auf blaugraues Gestein, von dem sich leicht speerspitzen-artige Splitter ablösen ließen. Man bezeichnete diese Steine als „Speersteine“ und den Berg, auf dem man sie fand, als „Sperenberg“, dem wir heute vermutlich unseren Ortsnamen verdanken.

Schnell muss sich die Kunde vom seltsamen Gestein verbreitet haben, denn schon bald wurde es überall in großen Mengen als Baugestein verwendet. Man nimmt an, das auch die Feuerherde in den Häusern aus Gipsgestein errichtet wurden, wobei das Gestein bei Berührung mit Feuer zu weißem Pulver zerfiel und mit Wasser vermischt, schnell wieder aushärtete. So kam das Gestein wohl auch zu der Bezeichnung „Speerkalk“, unter dem es oft in alten Urkunden erwähnt wird.

Bald weckte das noch mit Spitzhacke oder Faustmeißel gebrochene Gipsgestein wirtschaftliches Interesse. Um 1490 wurde die Notte ausgebaut und schiffbar gemacht, um den Gips leichter nach Berlin, Hamburg und Stettin verschiffen zu können.
Nach dem 30-jährigen Krieg wurde der Gips zunächst nur für den Wiederaufbau im eigenen Lande benötigt. Doch bis 1700 wurde die Förderung von Bau- und Stukkaturgips intensiviert, weil für die rege Bautätigkeit in Berlin und Potsdam (Schloss Sanssouci) große Mengen Gips benötigt wurden. Um 1750 wurde jährlich rund 9000 Zentner (450 t) Gestein gebrochen und verarbeitet.

Das Brechen geschah damals durch einen vom Amt abgestellten Steinbrecher, der sich außerdem um das Brennen des Gipses kümmern musste. Eine Arbeitserleichterung trat dann 1742 ein, als der Hallenser Gesteinssprenger Zinniger nach Sperenberg kam und erfolgreiche Sprengversuche unternahm.
Der so in großen Mengen gebrochene Gips wurden dann mit Fähren zu zwei Brennöfen über den See befördert, dort zu groben Bau- und zu feinem Stukkaturgips gebrannt, in Tonnen abgefüllt und dann verschickt. Darum ist auf alten Landkarten neben Sperenberg oft auch eine Gipstonne eingezeichnet. Heinrich Ludwig Manger, der damalige „Stararchitekt“ Friedrich des Großen, lobte schon 1781 die hier gewonnenen Würfel Gipsstein, die den feinen Mehlgips ergaben.

Unliebsame Ereignisse trübten schon bald die Freude der Anwohner am wirtschaftlichen Aufschwung ihres Ortes.
Schon 1771 wurde ein Erdbeben registriert, das vermutlich auf Höhleneinbrüche nach Sprengarbeiten zurückging. Küster Knorre berichtete 1808 von „Erderschütterungen“, die in der Pfarrkirche einige Zerstörungen anrichteten. Diese „Erdbeben“ wurden auch später noch häufig beobachtet.

Wegen eines verlorenen Prozesses überließ der Preußische Staat 1852 den Gipsbruchbetrieb ansässigen Bauern, denen der Grund und Boden gehörte. Das in den „Bauernbrüchen“ gewonnene Gestein wurde verschifft oder in den 9 Rosswerkmühlen mit 18 Brennöfen sowie in den 6 Dampfmühlen mit ihren 21 Brennöfen verarbeitet.

Wohl jedes märkische Dorf wird es sich zur Ehre anrechnen, in den Werken Theodor Fontanes erwähnt zu werden. Diese Ehre, wenn auch in bescheidenem Maße, kann sogar Sperenberg für sich in Anspruch nehmen. Zeugnis dafür ist ein Gedicht mit dem Titel Land Gosen (1888).
Gemeint ist hier die karge Mark Brandenburg. In diesem Gedicht stellt Fontane die märkischen Schätze in amüsanter Weise vor und knüpft sie an die jeweiligen Ortschaften:

„Ja, ja wir haben es leicht und bequem
In Brieselang Eichen,
In Rauen Kohlen,
In Linum Torf,
Kalgeschiebe in Rüdersdorf
Königshorster Butter,
in Sperenberg Salz,
Im Wartebruch Gerste, Graupen und Malz.“

So dürftig das literarische Denkmal auch sein mag, regt es doch den heutigen Betrachter und Leser an, über die Zeitumstände nachzudenken, die den Dichter bewogen haben, das Sperenberger Salzvorkommen zu den Reichtümern der Mark zu zählen.

Dann begannen Ereignisse, die den Namen Sperenbergs weit in die Welt hinaus tragen sollten.
Um die Mächtigkeit und die genauen geologischen Verhältnisse des Gipses bei Sperenberg zu untersuchen, wurde seitens der Bergbaubehörde am 27. März 1867 mit der Durchführung einer Tiefenbohrung begonnen. Dazu errichtete man in der Sohle eines verlassenen Gipsbruchs einen 20m hohen Bohrturm, um mit 3 Zentner schweren Meißelbohrern die Bohrung durchzuführen. Bald reichte Muskelkraft allein nicht mehr aus, das 40 Zentner schwere Bohrgestänge heraufzuwinden, so dass 1868 Dampfmaschinen herangeschafft wurden, die dann die weitere Arbeit unterstützten.

Am 15.09.1871

erreichte man mit 1271 m das damals tiefste Bohrloch der Erde, ohne die Salzschicht zu durchstoßen.

Folgende Schichten wurden dabei abgeteuft:

0,63 m Schutt
85,21 m hell-blaugrauer Gips
1,57 m fast weißen, mit Anhydrit gemengten Gips
0,60 m reinen Anhydrit
0,80 m salzhaltigen Anhydrit
1182,64 m reines Steinsalz

Danach wurde die Anlage abgerissen, das Bohrloch verspundet und ein Markierungsstein gesetzt. Es wurden noch zwei weitere Bohrungen abgesetzt, um die Mächtigkeit des Salzes in 150 m Tiefe zu bestätigen.

Außerdem geschah noch etwas sehr Bedeutendes: es wurde die so genannte geothermische Tiefenstufe ermittelt.

Bereits Alexander von Humboldt stellte vor etwa 200 Jahren einen Temperaturanstieg mit zunehmender Tiefe fest, als er auf seiner Forschungsreise durch Südamerika mit einem Reisethermometer Messungen der Erdwärme in tiefen Höhlen vornahm.
Die Frage, ob die Wärme aus dem Erdinneren kommt oder doch nur Folge der Sonnenstrahlung ist, konnte erst diese Bohrung in Sperenberg beantworten. Der so erstmals präzise gemessene Wert der Temperaturzunahme betrug 3 °C pro 100 Meter.
Dieser Wert wird bis heute weltweit als mittlerer Wert anerkannt und fand Eingang in die geowissenschaftlichen Lehrbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts.

Doch wie sah die Gipsgewinnung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eigentlich genau aus?

„…Seit Einführung des Gesteinsprengens ging man nicht mehr so regellos wie früher vor. Man räumte Lehm und Sand fort, so dass sich der Gipsstein als feste Gesteinswand dem Beschauer darbot. Nun trieb man in den Berg hinein Stollen, die durch Querstollen verbunden wurden. Es blieben also nur mächtige Pfeiler stehen, die die ganze darüber liegende Bergwand zu tragen hatten. Diese Arbeit war nicht ungefährlich, da der Gipsfelsen immer wieder durch Schlotten, das sind durch Verwitterung entstandene Vertiefungen, die durch Lehm, Sand und Ton ausgefüllt sind, unterbrochen wird. Stieß man auf solche Schlotten, so rutschte die lose Füllung nach und begrub die im Innern arbeitenden Gipsbrecher. Unglücksfälle kamen in fast jedem Jahre vor. Wieder und immer wieder forderte der Bruch Todesopfer. Hatte man aber endlich die Gipswand unterminiert, so wurden die stehen gebliebenen Pfeiler angebohrt, die Bohrlöcher mit Sprengstoff gefüllt und der Zeitpunkt kam immer näher, an dem der Berg fallen sollte. Man wusste damals noch nichts von elektrischer Fernzündung. Die Zündschnüre mussten vielmehr mit der Lunte angezündet werden. Es war immer ein Spiel ums Leben, das die zum Zünden bestimmten Arbeitskräfte unternahmen. Ging ein Schuss zu früh los, so konnten sie gewärtig sein, unter dem stürzenden Gestein begraben zu werden. Es hieß also schnell anzünden und dann fluchtartig den Bruch zu verlassen; denn es dauerte nicht mehr lange, bis die Wand ihres stützenden Haltes beraubt wurde und unter donnernden Krachen in sich zusammenbrach. Monate hatte man nun mit dem Zerkleinern und Abtransportieren der Gipsblöcke zu tun, während man an anderer Stelle wieder einen neuen Teil der Gipswand unterhöhlte. Die Gipssteine wurden dann zum größten Teile mit Wagen zur Ablage nach Klausdorf gefahren, wo zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der Gipswärter Martin Schramm mit seinem Adjunkten Gottlieb Richter seines Amtes waltete. Die Abfuhr geschah aus dem Bruch heraus über die Berge zum Weg, der vom Faulen See zur heutigen Klausdorfer Chaussee führt…“
(P.Bieler)

1901 gehörten die Gipsbrüche den „Berliner Gipswerken“. Dort wurden auch viele italienische Gastarbeiter beschäftigt, die ihre Erfahrungen aus den Carrara-Marmorbrüchen mit einbrachten. Durch den Bau einer Gipsfabrik (dem späteren Duro-Plattenwerk) am Bahnhof wurde 1906 eine Drahtseilbahn zwischen den Brüchen und der Fabrik über die Gipsberge hinweg erbaut.

1905. Da der Gips in der Tiefe massiver wurde, fing man an, durch Absenken des Grundwasserspiegels Tiefbauten anzulegen.
Gewaltige Pumpstationen senkten den Grundwasserspiegel und leiteten jährlich etwa 80 Mio. Hektoliter Grundwasser mit 236.000 Tonnen Salz über Rohrleitungen in den Krumme See. Außerdem wurden riesige Mengen Aushub am Krummen See (der heutigen „Schütte“) angehäuft.

Eine Umweltkatastrophe bahnte sich an, denn die Fischbestände verkümmerten und das Trinkwasser wurde knapp. Der See wurde zum „Totem Meer im Teltowlande“. Als Gegenleistung erhielt die Gemeinde dafür jährlich (lächerliche) 50 Mark sowie Gipsschotter zum Ausbessern der öffentlichen Wege. Erst ein handfester Streit vor dem Königlichen Kammergericht zwischen Gemeinde und Gipsfabrik brachte den Sperenbergern eine zentrale Trinkwasserversorgung, die zu 75% von den Gipswerken finanziert werden musste.

Wegen der andauernden Grundwasserproblematik wurde nach über 700 Jahren der Gipsabbau 1926 erstmals eingestellt.

Um das Trümmerfeld des zweiten Weltkriegs zu beseitigen, begannen 12 Bürger am 01. August 1946, nur mit Spaten und Hacke ausgerüstet, wieder mit dem Abbau der dringend benötigten Ressource Gips. Ein Schafstall diente als Aufenthaltsraum, in dem sie ihr trockenes Brot verzehrten. Etwa 40 Tonnen Gestein konnten täglich ins Kalkwerk Rüdersdorf geliefert werden. 1947 konnte die Belegschaft des Gipswerkes schon 4000 Tonnen Rohgips produzieren.

1949 wurde per Hand ein Damm mitten durch den Krummen See aufgeschüttet und ein Anschlussgleis zum Bahnhof verlegt, über dem die nächsten 10 Jahre täglich 120 Tonnen Brand – und 100 Tonnen Rohgips transportiert werden sollten. Da es jedoch wieder erhebliche Grundwasserprobleme sowie Freispülungen und Erdrutsche gab, wurde der weitere Abbau 1958 endgültig eingestellt. Die Tiefbauten begannen sich mit Wasser zu füllen.

Lange blieben „Die Tiefbauten“ sich selbst überlassen. Als Höhepunkt der „Woche der Kultur“ konnte aber am 06.Juni 1971 eine durch die Chormitglieder selbst erbaute Freilichtbühne vor der malerischen Kulisse des 1. Tiefbaus feierlich eingeweiht werden. Heute erinnern leider nur noch einige Rudimente an diese schöne Anlage.

Nach Beendigung des Rohstoffabbaus wurde der 2. Tiefbau vom Glagit-Plattenwerk (Glasfaser-Gipsplatten) und später vom Bauelementewerk Hennigsdorf fast bis zur Hälfte mit Müll- und Bauschutt sowie Produktionsabfällen jeglicher Art zugeschüttet. Erst lange nach der Wende wurde die neu gewonnene Fläche verdichtet und mit kulturfähigem Substrat überdeckt, so das dieses Unternehmen nur noch von Ortskundigen oder Zeitzeugen erkennbar ist.

Nicht nur wegen seiner geologischen Besonderheiten und der seltenen, in ihrem Bestand bedrohten und hier noch wild wachsenden Pflanzen (insbesondere der Kalk- und Sandtrockenrasen), wurde dieses etwa 24 Hektar umfassende Gebiet am 05. Februar 1998 zum „Naturschutzgebiet Sperenberger Gipsbrüche“ erklärt.
Der durch den Abbau geprägte und relativ nährstoffarme Boden bietet hier zahlreichen Pflanzen neue Lebensräume, die aufgrund ihrer geringen Konkurrenzkraft in der Kulturlandschaft selten gewordenen sind. Botanikfreunde können hier über 250 verschiedene Arten finden.
Aber auch seltene Tiere, wie die Uferschwalbe, der Eisvogel oder die Zauneidechse, nutzen diesen besonderen Lebensraum.

Heute befindet sich hier der „Naturkundlich-Geologische Rundwanderweg“. Dieser kann allein oder mit kompetenter Führung durch die Gipsberge erkundet werden. Dabei bieten Aussichtsplattformen einen schönen Blick über den gesamten Naturpark und Ruheplätze laden zum Rasten und Erholen ein. Ein sehr schöner Aussichtspunkt befindet sich zum Beispiel auf dem begehbaren Sendeturm, der sich gleich neben dem alten Wasserturm am höchsten Punkt der Gipsberge erhebt.

Eine Übersicht über alle Wanderwege erhalten Sie auf dieser Karte.

Doch noch einmal sollte in Sperenberg Gips abgebaut werden.
Im Zuge der Sanierung der Karl-Fiedler-Straße 2004/2005 erhielt die Gemeinde von der Unteren Naturschutzbehörde die Genehmigung, zehn Kubikmeter Gipsgestein im Naturschutzgebiet zu gewinnen. Dazu wurde zuerst die s.g. „Liegewiese“ am 3. Tiefbau mit schwerem Gerät von Erdreich beräumt und dann mit Presslufthammer und Meißel etwa 30 mal 50 Zentimeter große Stücke aus dem Fels gebrochen. Diese wurden dann bei der Sanierung der Karl-Fieder-Straße für eine 140 Meter lange und bis 80 Zentimeter hohen Trockenmauer aus Gipssteinen verwendet.

Mehr interessante und tiefergehende Informationen zu den Böden unserer Brandenburger Landschaft, deren Entwicklungsgeschichte, Nutzung und ökologischer Potentiale als Lebensgrundlage für die ganz besondere und zum Teil auch sehr seltene Pflanzen- und Tierwelt, bietet Ihnen die Webseite des „Boden-Geo-Pfad im Landkreis Teltow Fläming“, die wir Ihnen sehr empfehlen können.