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Bartholomäus Krüger - der Märkische Eulenspiegel

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in Sperenberg in der Familie eines Bauern, Kossäten oder Dorfhandwerkers Bartholomäus Krüger geboren, der sich später mit bedeutenden literarischen Werken einen Namen machte. Auf den Titelblättern seiner Dramen nennt er sich 1580 „von Spernbergk“ bzw. „von Spernberg“; eine Geschichte um den Schalk Hans Clauert (4) ist eine Referenz an die Bauern seines Geburtsortes.

Nur wenige Daten aus Krügers Leben sind bekannt. Vielleicht hat er im benachbarten Städtchen Trebbin die Lateinschule für Jungen besucht. Den Trebbiner Schulrektor Johann Walther ließ er lateinische Lobgedichte für seine Dramen voranstellen. Erst 1567 betreten wir gesicherten Boden, als ein „Krüger, Bartholom. Zosnen.“ in der Universität Leipzig als Student eingeschrieben wird. Das Dorf Sperenberg gehörte damals zum brandenburgisch-kurfürstlichen Amt Zossen. Hier in Leipzig erwarb Krüger die notwendige Ausbildung, um 1580 als „Stadtschreiber und Organist zu Trebyn“ sowie 1587 als „Stadtschreiber zu Trebbin“ tätig sein zu können, wie es die Titelblätter seiner drei überlieferten literarischen Werke aussagen. Nach 1587 verliert sich sein Name im Dunkeln.

Das weltliche Drama und das geistliche Spiel hat Bartholomäus Krüger den Richtern und Ratsherren der „löblichen freien Bergstädte“ Joachimsthal und Schneeberg in Böhmen bzw. Sachsen gewidmet, deren Ruf als ehemals reiche Städte durch seinen Schwager David Pöpel aus Schneeberg zu ihm gedrungen war. Gewiss erhoffte sich der unbemittelte Stadtschreiber mit dieser Widmung Gunst und Dank, Referenzen, Förderung, Geldmittel oder gar Anstellung. Für Krügers Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen zeugt, dass er sein Studium in Leipzig mit einer für bedürftige Studenten vorgesehenen geringeren Immatrikulationsgebühr beginnen konnte.

Von seiner ärmlichen Lage als Stadtschreiber und Organist im ebenso armen Städtchen Trebbin, das 1565 und 1566 Brand und Pest ertragen musste, zeugen die Formulierungen in einer Beschwerdeschrift des „Rates und der Gemein“ zu Trebbin an den brandenburgischen Kurfürsten aus dem Jahre 1572, die Krüger als Stadtschreiber selbst aufgesetzt haben könnte: „…das auch die kirchen- und andere Diener, deren man gar nicht entberen kann, nicht notturftigen besoldiget kunnen werden“.
Vielleicht hat eigene Erfahrung dem Bartholomäus Krüger die Feder geführt!

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Und dieser arme städtische Diener hat uns literarische Werke von hohem dichterischen Können und bleibender Bedeutung hinterlassen. Sein Drama trägt den Titel „Ein Newes Weltliches Spiel, wie die Pewrischen Richter einen Landsknecht unschuldig hinrichten lassen und wie es ihnen so schrecklich hernach ergangen“(1), von dem sich ein Exemplar des Erstdrucks von 1580 heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin befindet. In vielen Szenen spielt sich das dramatische Geschehen in einem Dorf ab, in dem die bäurischen Richter – unterstützt von einem Mönch – aus Geldgier einen Landsknecht wegen einer Nichtigkeit hinrichten lassen und alsbald der gerechten Strafe Gottes verfallen.

Das gleichzeitig entstandene und gedruckte geistliche Spiel „Eine schöne und lustige newe Action von dem Anfang und Ende der Welt, darin die gantze Historia unsers Herrn und Heylandes Jesu Christi begriffen“(2) wird heute in einem Exemplar des Erstdrucks von 1580 in der Herzog-Ernst-August-Bibliothek Wolfenbüttel verwahrt. In über 3 000 Versen rollt die biblische Geschichte von der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies bis zum Jüngsten Gericht auf der Bühne ab. Den im Jahrhundert der Reformation spielenden 4. Akt haben Sperenberger zum 200. Jubiläum des heutigen Kirchenbaus unter der Regie von Pfarrer Berthold Ahrendt und Lehrer Karl Fiedler im Jahre 1953 aufgeführt. Besonders in diesem Drama zeigt sich Krüger als glühender Verehrer des Reformators Martin Luther und als Ankläger gegen den Papst und die verderbte katholische Geistlichkeit.

Die beiden Dramen des Dichters sind heute fast vergessen. In der Literaturwissenschaft aber werden sie hoch geschätzt, weil sie nicht nur in ihren Texten, sondern auch in ihrer Dramaturgie Neuland betreten. Krügers Ruhm als bedeutender humanistischer Dichter und Schriftsteller hält dank seiner Schwanksammlung „Hans Clawerts Werckliche [sonderbare, wundersame] Historien“(3) bis heute an. Die 34 Geschichten und zwei Lügenmärchen um den Trebbiner Schalk Hans Clauert erschienen 1587 bei dem Drucker Nikolaus Voltz in Berlin. Ein Exemplar dieser Erstausgabe ist in öffentlichen Bibliotheken nicht mehr vorhanden, ein Druck von 1588 befindet sich in der British Library in London.

Den Helden seiner Schwänke, Hans Clauert, kannte Krüger persönlich. Aus seinen Streichen ist dessen Leben zu erschließen. Der Sohn des Handwerkers Peter Clauert ist wohl um 1520 geboren, lernte im anhaltischen Zerbst das Schlosser – und Büchsenmacherhandwerk. Die übliche Gesellenwanderung führte ihn bis ins ungarische Budapest. Wieder in Trebbin, heiratete er eine Witwe namens Margreta, die ihren Sohn Gregor Michel mit in die Ehe brachte. Bald gab der unstete Handwerksgeselle seinen erlernten Beruf auf und wurde Viehhändler. Seinen dabei erzielten Gewinn verspielte er zumeist, geriet wegen Falschspiels sogar mit dem Gesetz und erst recht mit seiner Frau in Konflikt. Clauert war zeitlebens Analphabet. 1566 erlag er der Pest in der Nähe der Trebbiner Annenkapelle.

Mit seiner humorvollen Beredsamkeit, seinen unterhaltsamen Possen und Schnurren, die er zum Vergnügen der Leute und gegen Bezahlung mit Speis und Trank zum Besten gab, erfreute sich der Schelm großer Beliebtheit. Auch der brandenburgische Kurfürst und der Amthauptmann von Zossen und Trebbin, Eustachius von Schlieben, sahen Clauert gern auf Schloss und Amtssitz. Der Trebbiner Rat erfreute sich an den Späßen und der Trinkfestigkeit seines Mitbürgers. Gleichwohl foppte Hans Clauert diese Vertreter der höheren Kreise der Gesellschaft ebenso wie Pfarrer, Städter und Bauern und machte sie alle zur Zielscheibe seines Spotts und versteckter Kritik.

Dem Sperenberger Bartholomäus Krüger verdanken wir die Überlieferung der liebenswerten und derben Streiche des „märkischen Eulenspiegels“ Hans Clauert. Dieser Schatz der deutschen Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts wirkt durch weitere Ausgaben der Clauert-Geschichten nach 1587, durch berühmte Illustratoren seiner Historien und durch ihre Rezeption in anderen Kunstgattungen bis ins 21. Jahrhundert.

20. Geschichte

Wie Clauert den Bauern von Sperenberg Wein holte

Auf eine Zeit begab es sich, daß ein Zimmermann namens Heinrich Medeborch, zu Sperenberg gebürtig, sich gen Trebbin begab. Als er dort Hochzeit machte, hat er die Bauern von Sperenberg fast alle zur Hochzeit geladen, welche des andern Tags beim Frühmahl den neuen Wein gern gekostet hätten, da es denn eben um Martini‘ war. Deshalb brachten sie acht Märkische Groschen für den Wein auf.
Bei ihnen war auch Clauert, der sie desselben Tags auf sieben Schüsseln – auf drei leere und in vieren nichts – zu Gast geladen hatte, allda sie auch schon gewesen und in den sieben Schüsseln nichts gefunden. Mit diesen war Clauert wiederum zur Hochzeit gegangen und er erbot sich, den Bauern für ihr aufgebrachtes Geld Wein zu holen. Dem schenkten die einfältigen Leute Glauben, obwohl sie doch zuvor sein Abenteuer erfahren hatten, indem sie bei ihm zu Gast gewesen und aus leeren Schüsseln hatten essen sollen.
Als Clauert das Geld bekam, nahm er zwei große Zinnkannen, füllte sie mit Wasser und bestellte einen bekannten Freund, der ihm ein Bein stellen sollte, wenn er zur Tür hineingehen würde, damit er Ursache zu fallen hätte, worauf sie beide das Geld vertrinken wollten – wie es geschah. Denn als Clauert zur Stubentür hineinging, hielt ihm der andere einen Fuß hin, darüber Clauert mit den beiden Kannen in die Stube hineinfiel und das Wasser so rein herausgoß, daß nicht ein Tropfen in den Kannen blieb. Jedoch wischte er eilends wieder auf, fiel dem andern in die Haare, sie warfen einander nieder und stellten sich, als ob es lauter Ernst gewesen wäre. Die Bauern liefen alle hinzu, brachten sie beide auseinander und baten, sie möchten nur Friede halten, das Geld wollten sie gern vergessen.
Die beiden gingen im Zorn weg, jedoch nicht weiter als dorthin, wo der Weinkranz aufgesteckt war, und vertranken die acht Groschen. Wollten nun die Bauern den Wein kosten, so mußten sie wieder in die Beutel greifen und anderes Geld aufbringen.

Moral
Wer einem Wolf vertraut auf weiter Heide, Einem Juden bei seinem Eide Und einem Krämer bei seinem Gewissen, Der wird durch alle drei beschissen.
Und trägt den Spott noch zu dem Schaden, Den willig er auf sich geladen.

(Aus: „Hans Clauert, der märkische Eulenspiegel“, Evamaria und Gerhard Engel, Verlag am Park 2008)